Franckeplatz 1, Haus 8+9
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Geschichte

Das heutige Evangelische Konvikt – Studienhaus der Kirchenprovinz Sachsen in den Franckeschen Stiftungen hat, wie schon der Name erahnen lässt, eine interessante Geschichte.

1715

Am heutigen Ort des Wohnhauses, den Häusern 8 und 9 innerhalb der Franckeschen Stiftungen, war 1715 das „Lange Haus“ errichtet worden. Es sollte Unterkunft für die in den Schulen der Franckeschen Anstalten unterrichtenden Studenten bieten. Dies war eine Idee des Gründers der Anstalten August Herrmann Francke, der sich als Pastor der hiesigen Kirche St. Georg zu Glaucha der zahlreichen Waisenkinder annahm. Die von ihm angestellten bedürftigen Studenten erhielten am sogenannten Freitisch Verpflegung und wurden in ihrer Tätigkeit als Lehrer von einem Inspektor beaufsichtigt.

1727

Im Todesjahr Franckes konnten 255 Studenten auf diese Weise versorgt und beschäftigt werden.

1929

So wurde 200 Jahre später am selben Ort das Sprachenkonvikt gegründet. Es sollte Unterkunft und Ausbildungsstätte für Theologiestudenten sein, welche die biblischen Sprachen Hebräisch, Griechisch und Latein erlernen mussten. Diese Aufgabe hatten in den vorigen Jahrhunderten die Humanistischen Gymnasien übernommen, deren Abschlusszeugnis auch allein zum Universitätsstudium berechtigte. Mit dem Entstehen höherer Realschulen, deren Unterricht stärker auf die Vermittlung praktischer Kenntnisse ausgerichtet war, wurden die Theologischen Fakultäten vor das Problem gestellt, ihren Studenten Möglichkeiten des Spracherwerbs aufzuzeigen.

Friedrich August Gottreu Tholuck

Friedrich August Gottreu Tholuck

In den folgenden Jahren wurde das Lange Haus zwar nach und nach für andere Zwecke genutzt, hauptsächlich weil aufgrund mittlerweile gut ausgebildeter Lehrer immer weniger Studenten für die Lehrtätigkeit benötigt wurden, die Verbindung von Universität, Lehre und Wohnheim zieht sich aber als konstantes Merkmal durch die weitere Geschichte dieser Lebensform.

1. April 1929
Erich Klostermann

Erich Klostermann

Daher verwundert es nicht, dass der Ordinarius für Neues Testament, Erich Klostermann, und mit ihm weitere Fakultätskollegen die Gründung eines Vereins, der sich dieser Aufgabe widmen sollte, vorantrieben. Am 1. April 1929 nahm der schnell konzipierte Verein dies auch auf und unterrichtete 50 Konviktuale und 30 Externe.

Julius Schniewind

Julius Schniewind

Das Leben war durch die täglichen Morgenandachten, gemeinsame Mahlzeiten und den Sprachunterricht bestimmt. Es wurde stark geprägt durch den jeweiligen Inspektor, der meist ein Absolvent der Theologie war. Der Ephorus war als Kuratoriumsvorsitzender verantwortlich für die Geschäftsführung und Belegung des Hauses. Neben diesen beiden immer bestehenden Ämtern wurde in späteren Jahren der Senior aus der Konviktualitas mit weiteren Aufgaben betraut. In Notzeiten, wie zum Beispiel zeitweise während und nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die beiden Ämter in Personal von einem Hausbewohner übernommen. Ein ähnliches Schicksal hatten die Ämter der Hausdame, des Nachtwächters und der Reinemachefrauen: Anfangs gab es noch einen sehr komfortablen Personalstamm, der dann wegen der schlechten Finanzlage stark dezimiert wurde. Besonders in den letzten Jahren der DDR musste die Bewohnerschaft möglichst findig selbst für Reparaturen und die Instandhaltung des mittlerweile sehr marode gewordenen Hauses, dessen Fenster teilweise noch aus der Franckezeit stammten, sorgen.

1952

übernahm die damalige Kirchenprovinz Sachsen die Trägerschaft des Sprachenkonvikts, da der bisher zuständige Verein aufgelöst worden war. Schon an diesem geschichtlichen Fakt lässt sich erahnen, dass die Erhaltung des Hauses im sozialistischen – wie auch schon vorher im nationalsozialistischen – Staat nicht leicht zu bewerkstelligen war. Über die genauen Umstände kann hier in Kürze allerdings nicht ausreichend berichtet werden.

Die anderen beiden Konvikte, deren Traditionen das Evangelische Konvikt aufgenommen hat, erging es jedoch nicht so gut. Das 1871 gegründete Tholuck-Konvikt, entstanden auf Wunsch des Hallenser Erweckungstheologen August Tholuck und mit tatkräftiger Hilfe seiner Frau Mathilde, war finanziell und durch problematische Gebäudeverhältnisse bedrängt. Da es von Anbeginn in enger Verbindung mit dem Schlesischen Konvikt stand, das 1866 von Karl Philipp Graf von Harrach für schlesische Theologiestudenten gestiftet worden war, hatte es dessen Konviktualitas 1937 bei der erzwungenen Schließung des Schlesischen Konviktes aufgenommen.

1998

So kam es, dass in den 1990er Jahren aus diesen drei Konvikten eines wurde. 1998 zog das Tholuck-Konvikt in das Haus 9 am Franckeplatz neben das Sprachenkonvikt. In der Zwischenzeit war eine Stiftung der Kirchenprovinz Sachsen (seit 2009 Teil der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland – EKM) geschaffen worden, unter deren Dach das Sprachenkonvikt sowie die Stiftungen des Schlesischen und des Tholuck-Konviktes zusammengefasst wurden. (Da jedoch deren juristische Unabhängigkeit gewahrt blieb, konnte 2005 das Schlesische Konvikt in seinem ursprünglichen Gebäude in der heutigen Emil-Abderhalden-Straße wiedereröffnet werden.)
Die Häuser 8 und 9 in den Franckeschen Stiftungen sind 1995 bis 1997 grundlegend saniert und rekonstruiert worden und in einem Vertrag zwischen den Frackeschen Stiftungen, der Kirchenprovinz Sachsen und dem Studentenwerk Halle als dauerhafter Wohnort für 70 Studenten der Theologie und anderer Fächer festgelegt worden.

So besteht das Evangelische Konvikt – Studienhaus der Kirchenprovinz Sachsen in den Franckeschen Stiftungen schon seit über einem Jahrzehnt an historischem Ort in der Hallenser Innenstadt und pflegt in Verbundenheit mit seiner dreihundertjährigen Geschichte überlieferte Traditionen und entwickelt dabei ständig neue.

Das Buch zur Geschichte des Hauses

Studien- und Lebensgemeinschaft unter dem Evangelium (PDF 4.6 MB)

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